Mauern können schützen. Mauern können aussperren. Mauern können aber auch einsperren. Mauern können warm und trocken sein oder feucht und kalt. Mauern sind auch ein Sinnbild… und sie begegnen uns, wo immer wir hingehen.
Auch in mehreren meiner Bücher spielen Mauern eine Rolle.
Die Liebesromane führen sie sogar im Titel: „Mauern um Dein Herz“. Mehrere Personen darin bauen eine Mauer um sich herum auf, eine Mauer zum Schutz vor seelischen Verletzungen. Solche Mauern sind manchmal unüberwindlich hoch, doch mit der Hilfe von Menschen, die uns lieben, können wir sie einreißen oder überwinden.
Unüberwindlich hohe Mauern
Hohe Mauern sind auch in meinen anderen Büchern ein Thema. In der Surya Mahal – Reihe nimmt Rajendra Kalachuri meiner Protagonistin Cathérine Freiheit und Selbstbestimmung und sperrt sie hinter hohen Mauern ein.
Für diesen Artikel habe ich eine Leseprobe aus Band 3 „Die Spur des Schwarzen Drachen“ herausgesucht. Cathérine wird ins Haus von Jamal al-Mansouri gebracht, dem Vater ihres Bewachers Rashid. Das Haus liegt in der Altstadt von Marrakesch, buchstäblich umgeben von hohen Mauern. Cathérine hat keine Ahnung, was sie dort erwartet.
Die Leseprobe:
Die Frau führte Cathérine und Maria die Treppe nach oben. Sie sprach englisch, ein wenig stockend und mit einem recht starken Akzent, aber dennoch gut verständlich. Im ersten Stock gingen sie auf ein großes schmiedeeisernes Tor zu, das von einem Mann bewacht wurde. Der Mann war groß und breitschultrig. Er hatte einen kräftig gebauten, muskulösen Körper, sein Gesicht war glatt rasiert und auch auf seinem Kopf war kein einziges Haar zu sehen. Seine dunkelbraunen Augen funkelten Cathérine an, aber das Beunruhigendste an ihm war der lange Dolch mit dem verzierten Elfenbeingriff an seinem Gürtel. Er öffnete die Gittertür und trat zur Seite, damit die Frauen eintreten konnten. Hinter ihnen schloss er die Tür sofort wieder.
„Das ist unser Bereich“, erklärte die Frau. „Die Wohnungen der Frauen liegen hier in diesem Teil des Hauses.“
Ein getrennter Bereich für die Frauen, bewacht von einem bewaffneten Mann! Also doch ein Harem, dachte Cathérine bitter. Sie wollte sich nicht vorstellen, was sie hier erwartete, aber sie machte sich keine Illusionen über ihr Leben in diesen Mauern. Mit gesenktem Blick, enttäuscht und ohne sich weiter für ihre Umgebung zu interessieren, folgte Cathérine der Frau. Es war ihr gleichgültig, wohin sie ging und da Maria ihr folgte, bemerkte Cathérine auch nicht, dass die Inderin ganz anderer Stimmung war.
Maria sah sich mit leuchtenden Augen um. Sie nahm jedes Detail ihres Weges in sich auf, als könne sie sich nicht satt sehen. Vorfreude lag in ihrem Lächeln und ihr Gang war federnd und leicht.
Dann waren sie offensichtlich an ihrem Ziel angekommen, denn die ältere Frau öffnete eine Tür und ließ Cathérine lächelnd den Vortritt. Sie führte die beiden Frauen durch einen Flur zu einer weiteren Tür und Cathérine stand plötzlich in einem geräumigen Wohnzimmer. Dunkle Möbel befanden sich darin, doch die Wände und Kissen erstrahlten in Gelb- und Rottönen, durch die das Zimmer hell und freundlich erschien. Vier Fenster ließen das Tageslicht herein, doch hinter den Scheiben versperrte ein kunstvolles Geflecht aus Ranken und Blättern den freien Blick auf das, was draußen lag. Es sah sehr schön aus, doch die rankenden Zweige waren aus Stein und somit genauso wirkungsvoll wie ein Gitter aus Eisenstäben.
„Das ist Ihr Wohnzimmer, Mademoiselle Bergmann“, erklärte die Frau. „Hier drüben ist Ihr Schlafzimmer, daneben befindet sich Ihr Bad. Die Zimmer von Mademoiselle Da Silva sind gleich nebenan.“
„Ich bin gleich wieder bei Ihnen“, sagte Maria zu Cathérine und verließ mit der älteren Frau das Zimmer.
Cathérine ging weiter zu ihrem Schlafzimmer. Das Zimmer war genauso orientalisch eingerichtet wie das Wohnzimmer und wirkte sehr weiblich. Sie legte den Schleier ab und ließ ihn fallen. Dann zog sie den schwarzen Mantel aus und warf ihn ebenfalls auf den Boden. Das Schlafzimmer hatte nur ein Fenster, aber es war größer als die im Wohnzimmer und in der Nische vor dem Fenster befand sich eine Sitzbank. Cathérine ging zum Fenster und sah hinaus. Unter ihr lag ein Garten mit blühenden Büschen, schattigen Wegen und einem Springbrunnen mit Bänken darum herum. Eine hohe Mauer umgab den Garten und Cathérine ließ sich müde auf der Bank nieder. Für sie gab es nur noch verschlossene Räume, vergitterte Fenster und unüberwindlich hohe Mauern. Sie lehnte ihren Kopf zurück und schloss die Augen. Sie saß einfach still und unbeweglich in der Nische am Fenster, während ein paar Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervorquollen und ungehindert über ihre Wangen liefen. Maria fand sie dort, als sie nach einigen Minuten zurückkehrte.
„Ich werde Ihnen ein Bad einlassen.“ Maria lächelte.
Cathérine hatte gegen ein Bad nichts einzuwenden. Sie stieg in die Wanne und genoss das warme, duftende Wasser, das ihren Körper umhüllte. Maria ließ sie für einige Zeit alleine und sie wusch sich in aller Ruhe den Staub der Wüste vom Körper. Als sie das Bad verließ, hätte sie sich am liebsten gleich ins Bett gelegt, so erschöpft fühlte sie sich. Doch Maria war mit frischer Kleidung zurückgekehrt und half Cathérine beim Abtrocknen und Ankleiden. Dann brachte sie sie ins Wohnzimmer. Irgendjemand hatte in der Zwischenzeit etwas zu Essen gebracht. Ein Tablett stand auf dem Tisch und der Duft des Essens stieg Cathérine verführerisch in die Nase. Sie hatte Hunger! Seit dem Morgen hatte sie nichts mehr gegessen und jetzt knurrte ihr Magen laut und deutlich hörbar.
„Lassen Sie das Tablett einfach stehen, wenn Sie fertig sind“, sagte Maria. „Ich werde es später holen.“
Dann verließ Maria das Zimmer und Cathérine setzte sich hin und aß. Das Essen schmeckte wunderbar und Cathérine aß alles auf, bis zum letzten Rest. Auch nachdem sie fertig gegessen hatte, war Maria nicht zurückgekehrt und Cathérine ging nicht auf die Suche nach ihr. Sie war im Augenblick zufrieden damit, dass sie alleine war. Solange sie konnte, wollte sie es genießen, so ungestört wie in diesem Moment zu sein. Wenn sie versucht hätte, ihr Zimmer zu verlassen, wäre sie wahrscheinlich sowieso nicht weit gekommen in diesem Harem.
Gesättigt und mit einem Gefühl der Zufriedenheit ging sie zurück in ihr Schlafzimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett. Es war herrlich, endlich wieder in einem richtigen Bett schlafen zu können, dachte sie. Doch auch wenn an diesem Abend ein wohliges Gefühl von Wärme und Zufriedenheit ihre Sinne einhüllte, sagte ein Rest von Vernunft in ihr, dass sie sich trotzdem noch immer in einem Gefängnis befand.
Ein Leben im Harem und kein Entkommen?
Kannst Du nachfühlen, wie es in Cathérine aussieht? Hättest Du in dieser Situation noch einen Funken Hoffnung? Oder würdest Du an ihrer Stelle resignieren?
Wenn Du wissen möchtest, wie es für Cathérine weitergeht, dann ist „Die Spur des Schwarzen Drachen“ nur einen Klick weit entfernt.
P.S.: „Die Spur des Schwarzen Drachen“ ist zwar Band 3 der Surya Mahal – Reihe, doch kannst Du den Roman auch einzeln lesen. Möchtest Du lieber von vorne anfangen, dann beginne mit „Geld, Macht, Tod“ – hier ist der Link zu Band 1.
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