Ein bewaldeter Hügel erhebt sich auf 1600 m Höhe über den Almwiesen. Ein Specht hämmert gegen einen Baumstamm. Geheimnisvolle Stimmen schallen zu uns herüber, doch kein Mensch ist zu sehen.
„Komm und ruh Dich aus!“ ruft eine junge männliche Stimme.
Eine weibliche Stimme kichert. „Wenn die wüssten, dass wir ihnen die Rucksäcke stehlen….“
Unwillkürlich geht der Blick nach oben. Da! In den Bäumen hängen lauter Rucksäcke!
Inspiration ist überall
Immer wieder werde ich gefragt: woher kommt die Inspiration für neue Geschichten? Und wenn ich antworte: meine Inspiration kommt von überall her, von Personen, von Orten, einfach aus dem Leben, aus allem, was mir vor Augen oder zu Ohren kommt – dann ernte ich fragende und teilweise verständnislose Blicke. Ich spüre, dass die Person dann an ihr Leben und ihren Alltag denkt und sich sagt: „in meinem Alltag gibt es nichts, das mich zu einem Roman inspirieren könnte. *Kopfschütteln* und *Schweigen*. Ihr Leben muss viel aufregender, interessanter sein als meins, wenn sie sich solche Geschichten ausdenken kann.“
Nein. Stimmt nicht. Naja. Vielleicht doch… ein bisschen ?
Bei mir sind es oft die kleinen, scheinbar nebensächlichen Dinge, die im Gedächtnis hängen bleiben und irgendwann in eine Geschichte einfließen. Wie der Zauberwald.
Es war in unserem letzten Urlaub in Österreich. Aus dem bewaldeten Hügel über den Almwiesen, den ich zu Beginn erwähnte, hat man eine Art Märchenwald für Kinder gestaltet. (Ich gestehe, dass ich in solchen Dingen noch immer Kind geblieben bin.) Natürlich musste auch ich den Wald erkunden! Für mich war er von Anfang an „der Zauberwald“. Mein Mann machte bereitwillig mit und so tauchten wir ein in eine andere Welt.
Es gibt ein Baumhaus im Wald, einen Feenthron, eine Höhle mit einer sprechenden Ziege, ein Klettergerüst, einen Turm an der höchsten Stelle, große hölzerne Pilze, einen See mit einem Kutter und einem Hai, spuckende Ungeheuer und körperlose Stimmen aus den Bäumen… es war wunderbar, der Phantasie freien Lauf zu lassen.
Parallelen zum Roman
Wie könnte es anders sein – ich fand natürlich auch Parallelen zu meinem Buch. „Die Legende von Bartak“ spielt ja in einer Phantasiewelt, die bevölkert ist von seltsamen und unheimlichen Geschöpfen. Die könnten sich jederzeit dort im Zauberwald ein Stelldichein geben.
Brauchst Du Beweise?
Wenn die Königin der Selwen eine Versammlung einberuft und zu den Feen und Waldgeistern spricht, könnte sie dabei auf einem solchen Thron sitzen. Und wenn Taruk sich einen Stuhl zimmern würde, müsste er so groß sein wie dieser hier:
Ich liebte diese Vorstellung und wäre Taruk dort in den Bergen gern begegnet.
Ein anderes Bild jedoch ruft auch heute noch ein Gefühl tiefer Traurigkeit hervor, wenn ich nur daran denke. Kahle Bäume steckten kopfüber im Waldboden und streckten hilfesuchend ihre Wurzeln dem Himmel entgegen. Um ihren Schmerz und ihre Demütigung zu vergrößern, wurde ihnen auch noch die Haut abgezogen. Das blanke Holz war schon ausgebleicht von der Sonne.
Welches abgrundtief böse Wesen kann ihnen so etwas angetan haben? Ein Riese? Ein Zauberer? Ich weiß es nicht.
Solch geschändete Bäume gibt es in meinem Roman nicht… noch nicht. Aber wer weiß? Vielleicht in einem der nächsten Bände?
Hinschauen!
Und genau da war sie! Die Inspiration für eine Geschichte. Einfach so. Am Wegesrand. Ich musste nur hinschauen.
Ja. Das Wort „hinschauen“, das ist der Schlüssel. Wenn Du mit offenen Augen durch die Welt gehst, siehst Du so viele interessante Dinge! Einen kreisenden Raubvogel, die aufgehende Sonne, die herbstlich verfärbten Blätter eines Baumes, aber auch solche Dinge wie das Lächeln eines fremden Menschen, eine Wolke, die aussieht wie ein Kobold mit Knollennase, ein Mann, dessen Augen nie lange auf einem Objekt verweilen und und und
Probiere es mal aus! Wenn Du heute zur Arbeit oder zum Einkaufen gehst, schau Dich um! Sieh die Menschen an, die Dir begegnen! Was siehst Du? Fröhlichkeit? Traurigkeit? Ein Lachen? Zorn? Streit? Liebe? Eine witzige Szene?
Auch aus Gesprächsfetzen kann man hören, was Menschen bewegt und daraus können ebenfalls Szenen einer Geschichte entstehen. Ein Anzugträger, der nur von seiner Arbeit erzählt; zwei junge Mädchen, die ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht austauschen; eine ältere Dame, die mit ihren süßen Enkeln prahlt; ein junger Mann, der in der vollen S-Bahn mit seiner Freundin telefoniert und heftig flirtet…
Was hast Du heute gesehen oder gehört? Was ist Dir von den letzten Tagen besonders in Erinnerung geblieben? Schreib es in die Kommentare! Vielleicht fließt Deine Geschichte dann in den nächsten Roman ein.
Also geh hinaus, öffne Augen und Ohren und finde Deinen ganz persönlichen Zauberwald! Falls nicht – lies dich weg ins Land der Fantasie.
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