Rajendra Kalachuri erlaubt Cathérine, für einige Tage seine Mutter in Duriakot, einem kleinen Ort im Himalaya-Gebirge, zu besuchen. Cathérine freut sich, wenigstens für kurze Zeit dem goldenen Käfig von Rajendras Palast entfliehen zu dürfen. Doch auch in den Bergen sind ihre Bewacher immer in ihrer Nähe.
Mit Rashid unternimmt sie einen Ausflug zur Sommerweide und Bilder wie diese haben mich sofort an die Textstelle erinnert:

Weitere Bilder gibt es am Ende der Leseprobe… und für Ungeduldige gleich hier der Link zu Amazon.

Hier ist die versprochene Leseprobe aus „Schritte im Treibsand“:

Immer weiter wand sich der schmale Pfad nach oben, bis die Wanderer schließlich eine Art Plateau erreichten. Auf der relativ flachen, mit einem Holzzaun umgebenen Weide graste eine größere Anzahl Pferde, bewacht und behütet von einigen berittenen Männern. Nur wenige hundert Meter trennten Rashid und Cathérine nun noch von der hölzernen Schutzhütte, die die Männer nachts und bei schlechtem Wetter als Unterstand und Schlafstätte nutzten.
„Wir werden dort bei der Hütte rasten“, bestimmte Rashid.
Cathérine nickte und ging weiter. Sie freute sich über die Bewegung in der frischen Bergluft, genoss den Anblick der majestätischen Gipfel unter dem tiefblauen Himmel und versuchte Rashids Gegenwart so gut es ging zu verdrängen. Er hatte sich im Hintergrund gehalten, hatte sie gewähren lassen und dabei trotzdem die Umgebung im Auge behalten. Niemals ließ seine Aufmerksamkeit nach und als Cathérine an einer besonders steinigen Stelle das Gleichgewicht verloren hatte, verhinderte er mit einem schnellen Griff, dass sie stürzte. Wenn sie es recht bedachte, war seine Anwesenheit an diesen Nachmittag sogar ausgesprochen angenehm, da er sie zu nichts drängte, aber zur Stelle war, wenn sie ihn brauchte.
An der Hütte angekommen, legte er seine Jacke auf einen flachen Stein, um ihr einen bequemen Sitzplatz zu bieten. Zwei der Männer verließen die anderen Pferdehüter und kamenzur Hütte herüber. Es kam nicht oft vor, dass hier oben fremde Besucher auftauchten und wenn doch, war dies eine willkommene Abwechslung. Als die Männer erfuhren, dass Cathérine Gast der Rani war, antworteten sie, dass es ihnen eine Ehre sei, sie hier oben begrüßen zu dürfen und fragten, ob sie eines der Pferde reiten wolle.
„Oh, nein! Danke“, wehrte sie ab. „Ich kann nicht reiten.“
Rashid trat mit den Männern an den Holzzaun heran und deutete er auf ein unruhig tänzelndes Pferd, dem einer der Männer gerade Zaumzeug anlegte.
„Warum ist er so nervös?“ fragte er die Männer.
„Er will nicht geritten werden“, antwortete einer von ihnen. „Er weiß, dass nach dem Zaumzeug der Sattel an der Reihe ist und wehrt sich dagegen.“
„Kann ich es einmal probieren?“ fragte Rashid und ließ dabei den Hengst nicht aus den Augen.
Die Männer hatten nichts dagegen und riefen ihren Kollegen. Dieser führte das Pferd zu ihnen heran, ein halbwüchsiger Junge trug den Sattel hinterher. Cathérine war neben Rashid an den Zaun getreten und beobachtete die Geschehnisse neugierig. Bevor Rashid über den Zaun stieg, warf er einen Blick auf Cathérine und auf die Umgebung, doch nichts schien sein Misstrauen zu wecken.
Er näherte sich langsam dem Hengst und nahm dem Mann die Zügel aus der Hand. Mit einem Kopfschütteln wehrte er ab, als der Junge sich mit dem Sattel näherte. Leise sprach Rashid auf das Tier ein und streichelte mit der einen Hand seinen Hals, während die andere die Zügel nahe an seinem Maul festhielt. Allmählich beruhigte sich der Hengst und Rashid warf die Zügel über seinen Kopf nach hinten. Er selbst bewegte sich ebenfalls langsam nach hinten, während er unentwegt auf Arabisch auf das Tier einredete.
Dann, ganz plötzlich, schwang er sich aus dem Stand auf den Rücken des Pferdes. Der Hengst quittierte diese Aktion mit einem erschrockenen Wiehern und stieg hoch auf die Hinterbeine, während die Vorderhufe wild in die Luft schlugen. Cathérine hielt den Atem an und fürchtete, dass Rashid jeden Moment zu Boden geschleudert wurde. Doch er hielt sich an Zügel und Mähne fest, seine Beine fest um den Körper des Pferdes geschlungen. Der Hengst kam wieder zurück auf den Boden, aber nun schoss er in unglaublichem Tempo davon über die Wiese, dass selbst die Männer unruhig miteinander sprachen. Der Hengst hatte sich nur wenige hundert Meter entfernt, als er umdrehte und in unvermindertem Tempo zurück galoppierte.
Jetzt bekam es Cathérine richtig mit der Angst zu tun, denn Rashid raste genau in ihre Richtung und es sah nicht danach aus, als habe er die Situation noch unter Kontrolle. Sie trat instinktiv einen Schritt zurück und auch die anderen Männer hatten sich auf ihren Pferden ein Stück zur Seite bewegt und in Sicherheit gebracht.
Doch nur wenige Meter vor dem Zaun zog Rashid die Zügel an, der Hengst stieg nochmals kurz auf die Hinterbeine hoch und blieb dann stehen. Er warf den Kopf nach hinten und schnaubte mehrmals. Rashid sah erhitzt aus und ein wenig außer Atem, doch er lachte aus vollem Hals.
Cathérine hatte ihn noch nie so unbeschwert gesehen wie auf dem Rücken dieses Pferdes. Er schien völlig in seinem Element zu sein. Sie beobachtete, wie die Männer sich um ihn scharten und ihn offen bewunderten. Eine Weile ließ er es mit sich geschehen und genoss die Bewunderung, doch dann begegnete er Cathérines Blick und schwang sich vom Pferderücken herunter, warf die Zügel einem Mann zu und ging zurück zu ihr.
„Sie können das sehr gut“, sagte sie. „Es war unglaublich.“
„Ich bin ein Sohn der Wüste, Madam“, entgegnete er. „Ich bin mit Pferden aufgewachsen. Wollen Sie es nicht auch einmal versuchen?“
„Ich glaube, das sollte ich lieber nicht“, sagte sie unsicher. „Ich bin noch nie auf einem Pferd gesessen.“
Er lächelte nur, wandte sich an die Männer und sprach kurz mit ihnen.
Dann drehte er sich wieder zu Cathérine um, streckte ihr die Hand entgegen und forderte sie auf, auf die andere Seite des Zauns zu kommen. Während sie zögernd seiner Aufforderung folgte, führte einer der Männer den Hengst heran.
„Haben Sie keine Angst, Madam“, sagte Rashid, als er Cathérines unsicheren Blick sah. „Er wird Sie gerne tragen! Ich muss ihm nur sagen, wer Sie sind.“
Der Hengst schnupperte neugierig an Cathérine, während Rashid wieder auf Arabisch auf ihn einredete.
„Er ist einverstanden“, sagte er schließlich. „Sie können aufsitzen.“
Vorsichtig stieg Cathérine auf eine Kiste, die einer der Männer hergebracht hatte, und ließ sich von Rashid helfen, auf den Rücken des Pferdes zu kommen. Sie fand es ziemlich wackelig und hielt sich an der Mähne fest. Da schwang sich Rashid hinter ihr auf das Pferd, nahm die Zügel in die eine Hand und hielt Cathérine mit der anderen fest, sodass sie nicht herunterfallen konnte. Sehr langsam setzte sich der Hengst in Bewegung und ganz allmählich entspannte sich Cathérine und konnte den Ritt sogar genießen. Einige Minuten lang ritt Rashid mit ihr im Kreis, dann kehrte er zu den Männern zurück, die ihnen lächelnd zugesehen hatten. Er ließ sich vom Pferderücken gleiten und half ihr beim Absteigen. Etwas zittrig stand sie wieder auf ihren eigenen Beinen und atmete tief durch, ein glückliches Lächeln auf den Lippen.
„Wir sollten uns auf den Rückweg machen, Madam“, sagte Rashid.
Sie nickte und bedankte sich bei den Männern. Rashid nahm den Rucksack wieder auf, sie verabschiedeten sich und folgten dem Pfad
zurück ins Tal. Für eine Weile gingen sie schweigend dahin, doch dann wandte sich Cathérine an Rashid.
„Vielen Dank für den kleinen Ausritt“, sagte sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, sich auf dem Rücken eines Pferdes zu halten.“
„Mit einem Sattel ist es einfacher“, antwortete er und grinste.
„Sie haben mir also gleich die schwierigere Variante gezeigt?“ warf sie ihm in leichtfertigem Ton vor. „Vielleicht erlauben Sie mir, es morgen nochmals mit Sattel zu probieren?“
Seitdem Rashid mit dem Hengst über die Weide galoppiert war, wirkte er auf Cathérine so anders als sonst, entspannter, unbeschwerter und voller Lebensfreude. Sie hatte spüren können, wie sehr er diesen Moment der Freiheit genossen hatte. Cathérines Gedanke schien ihm zu gefallen.
„Warum nicht?“ antwortete er. „Der Raja hat bestimmt noch ein friedlicheres Pferd, auf dem Sie in den nächsten Tagen trainieren könnten. Soll ich ihn fragen?“
Cathérines Augen begannen zu leuchten. Sie war immer bereit, etwas Neues zu probieren und wenn sie sich auf das Reiten konzentrieren konnte, musste sie nicht über andere Dinge nachdenken.
„Ja, bitte“, antwortete sie eifrig. „Werden Sie es mir beibringen, Rashid?“
„Ja, Madam. Das mache ich gerne“, erwiderte er.
Zufrieden lächelnd nickte sie und ging weiter den schmalen Pfad entlang. Die Tage hier oben in den Bergen versprachen angenehmer und
abwechslungsreicher zu werden, als sie es gedacht hätte. Sie würde Reiten lernen und das war etwas, auf das sie sich zusätzlich freuen konnte.
Auch Rashid hatte gegen das neue Freizeitprogramm nichts einzuwenden. Er liebte Pferde seit seiner Kindheit und freute sich darauf, wenigstens ein paar Tage mit ihnen zu arbeiten. Aber es gab noch einen anderen Grund für seine Zustimmung. Wenn er Cathérine das Reiten beibrachte, war er ständig in ihrer Nähe und konnte auf sie aufpassen, während sie beschäftigt war und nicht so leicht auf andere Ideen käme. Er hatte bei Gesprächen unter den Hausangestellten mitgehört, dass in den nächsten Tagen in Duriakot ein Markt stattfinden würde, zu dem die Menschen aus der ganzen Gegend herbeiströmen würden. Er fürchtete, dass Cathérine mit Unterstützung der Rani darauf bestehen könnte, den Markt zu besuchen und das wäre für ihn ein einziger Alptraum, zumindest was den Aspekt der Sicherheit betraf. Viele Menschen, dicht gedrängt in den Straßen und auf den Plätzen des sonst eher verschlafenen Ortes, könnten ihm seine Aufgabe schwer machen.
Cathérine hatte bereits von dem bevorstehenden Markt erfahren. Unter der Dienerschaft war dieses Ereignis das Gesprächsthema schlechthin. Von allen umliegenden Tälern würden die Menschen kommen, um zu kaufen, zu verkaufen, zu tauschen, Hochzeiten auszuhandeln und sich über alle erdenklichen Neuigkeiten zu informieren. Cathérine wollte unbedingt an einem der Markttage hinuntergehen ins Dorf, aber sie wusste nicht, wie sie es bewerkstelligen sollte, dass Rashid es erlaubte. Sie war nahe daran, ihn direkt zu fragen, da er so guter Stimmung war an diesem Tag. Er verhielt sich mehr wie ein besorgter Begleiter als ein Bewacher, der er in Wirklichkeit
ja war. Andererseits hatte sie an einem einzigen Tag bereits zwei Zugeständnisse von ihm erhalten: die Wanderung selbst und vor weniger als einer Stunde das Versprechen, ihr Reitunterricht zu geben. Wenn sie nun noch um den Besuch des Marktes bat, würde sie nicht vielleicht alles bisher Erreichte damit verderben? Sie entschied, dass das Risiko zu groß war. Sie wollte sich lieber der Rani anvertrauen und hören, wie ihre Meinung dazu war.

Ob es Cathérine wohl gelingt, von Rashid die Erlaubnis zum Besuch des Marktes bekommen? Wird Rashid im Getümmel des Marktes ihre Sicherheit gewährleisten können?
Rajendra Kalachuri ist ein mächtiger Mann und Männer wie er haben immer jede Menge Feinde, die ständig eine Schwachstelle suchen, um ihm Schaden zuzufügen. Eine Frau könnte eine solche Schwachstelle sein…

Neugierig geworden? „Schritte im Treibsand“ ist der zweite Teil der Surya-Mahal-Reihe und es gibt ihn als e-Book und als Taschenbuch – einfach hier klicken und der Lesespaß kann beginnen.